Sekt-Abfüllung, Quelle: Firma Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien GmbH,Eltville
FGZ:
DER STANDORT ELTVILLE IM WANDEL
1. Wirtschaft, Touristik, Weinbau
Eltville (E) am Rhein ist mit 17.508 Einwohnern (EW) per 31.12.09 die größte Stadt im Rheingau. Die
Bevölkerungsdichte ist mit 374 EW/km² relativ gering. Die Stadt liegt mitten im Weinbaugebiet am rechten Rheinufer. Sekt, Rosen und Fachwerk zeichnen die touristisch attraktive Stadt aus.
Alle Wirtschaftszweige haben sich in den letzten 25 Jahren positiv entwickelt, ausschließlich des Personalrückganges von 200 Mitarbeitern per Saldo im produzierenden Gewerbe. Der größte Arbeitgeber in Eltville, die mittelständische Firma Jean Müller, hat die Mitarbeiteranzahl seit den 90-er Jahren von 900 auf unter 500 vor Ort verringert bei einer Umsatzsteigerung auf 76 Mio. € im Jahr 2010. Dieser Personalrückgang im produzierenden Gewerbe konnte von den 35 neuen IT-Unternehmen nicht ausgeglichen werden.
Laut Einzelhandelsgutachten gibt es in Eltville 129 Geschäfte/Betriebe mit einer Verkaufsfläche von 17.055 m² und einem Umsatz von 65,3 Mio. € (Anteil: 28,3%).
Die Gesamtleistung der Wirtschaft in Eltville beträgt demnach hochgerechnet ca. 231 Mio. €. Die Kaufkraft hat 2010 ein Volumen von insgesamt 389,9 Mio. €.
Die Nachfragestruktur im Tourismus 2008 lässt sich durch die Betten/Übernachtungen pro Einwohner (EW) im Vergleich darstellen:
Hessen: 0,45 Übernachtungen /EW
Eltville: 5,87 " "
Rüdesheim: 39,60 " "
RTK: 6,53 " "
Das touristische Potenzial ist in Eltville also ausbaufähig. Dazu sollte das Marketing der Branche nicht durch die Stadt auf Kosten der Steuerzahler, sondern von den Gewerbetreibenden selbst betrieben werden.
Für Eltville gesamt gelten nach
der GfK-Kaufkraft 2012 folgende Kennziffern:
Bezeichnung Einwohner EUR/EW % Bemerkungen
Bevölkerung 17.653
(01.01.2011)
Kaufkraft 23.770,-
118,8 419.612 T€ p.a.
Kaufkraft für
Einzelhandel
6.033,- 111,5 106.501 T€ p.a.
POS-
Umsatz 4.063,- 81,0
Umsatz/EW
EH-
Zentralität 72,7 Kaufkraftabfluss
34.776
T€ p. a.
(entspricht 248 AP)
Die Kaufkraft in Eltville liegt also wesentlich über dem Bundesdurchschnitt; der Einzelhandels-Umsatz aber nur bei 78,8%, d.h., es gibt einen großen Kaufkraftabfluss (s. EH- Zentralität) von 29,1%. Zum Vergleich: Wiesbaden hat eine EH- Zentralität von 119,6 %.
Die Ursachen, Wirkungen und Konsequenzen dieser Entwicklung beinhalten nicht nur ein erhebliches abfließendes Umsatzpotenzial von EUR 29,1 Mio. In der Folge gehen ca. 210 Arbeitsplätze und Steuereinnahmen für das Gemeinwesen verloren. Die jährlich wiederkehrenden Geschäftschließungen in der Kernstadt sind ein Symptom der unzureichenden Angebotsstruktur, zu hoher Mieten und dem Kaufkraftabfluss.
Die Kaufkraftabdeckung bzw. EH-Zentralität nach Produktgruppen ist in Eltville nach dem BBE-Gutachten wie folgt:
Lebensmittel: 106 %, einzige Branche mit Kaufkraftzufluss durch EKZ und
Supermärkte aus Kiedrich, Walluf, Oestrich-Winkel
Drogerien: 69 %
Bekleidung: Sehr geringe Kaufkraftbindung in allen Kommunen
Schuhe: Nur geringe Kaufkraftbindung
Möbel: Fast keine Kaufkraftabdeckung
Glas, Porzellan,
Hausrat, Geschenke: 54 %
Spielwaren, Hobby,
Musikinstrumente: 10 %
UE,Musik, Video,
Drucker, Kom.,Foto: 20 %
Somit betragen die Kaufkraftabflüsse zwischen 31 und 90 % der bestehenden Kaufkraft. Außer für den Bereich Nahrungs- und Genussmittel besteht für alle ein nur beschränktes gehobenes bzw. spezialisiertes Handelsangebot. Wieso fließt trotz der sehr engagierten und kreativen Gewerbetreibenden und der IGE ein so hohes Maß an Kaufkraft in das übrige Rhein-Main-Gebiet ab? Eine bessere Kaufkraftbindung könnte in Eltville stadtzentral durch:
- mehr moderne, leistungsstarke Verkaufsflächen mit qualitativ
überdurchschnittlichen Angeboten fehlender Branchen und Bedarfsstufen,
- mehr und verschiedene Marken,
- breites Sortiment für Alt und Jung
- einer Sortimentsausweitung pro Produkt,
- die Spezialisierung gegenüber dem Wettbewerb
- das Besetzen von (Spezial-) Nischen, z.B. umwelt- und energiegerechten
Angeboten
- Angebot der Grundversorgung und von Dienstleistungen in allen Stadtteilen
zurück gewonnen bzw. erreicht werden. Eine höhere Kaufkraftbindung könnte zum Beispiel durch ergänzende Angebote infolge der Aufstockung des EKZ am Kiliansring und/oder der teilweiser Nutzung des städtischen Grundstückes in der Erbacher Straße ( ehem. Rheingauhalle) sowie der ehemaligen Wäschefabrik neben der Feuerwehr erreicht werden. Es mangelt jedoch an einem Konzept und der Projektplanung für dieses Vorhaben mit mehr Verkaufsfläche zu bezahlbaren Mietkosten im EKZ und Schaffung von Arbeitsplätzen.
Eine zwar nicht repräsentative aber authentische Umfrage des Verfassers bei Gewerbetreibenden und Verbrauchern zu den Standortfaktoren in der Zeit von Juni bis Oktober 2010 ergab:
- Die Menschen leben gerne in Eltville, Einkäufe (z.B. Lebensmittel, Bekleidung oder
Möbel) erledigen sie aber lieber in Wiesbaden, Mainz und Frankfurt am Main
- Die Kaufkraft der Einwohner ist in Eltville mit 118,3% vergleichbar hoch wie in
Wiesbaden, die Kaufkraft des Einzelhandels mit 67,8% aber vergleichsweise
gering. Daraus ergibt sich ein Kaufkraftabfluss von rund 40 Mio. € p.a. in das
Rhein-Main-Gebiet
- Eine große Sogwirkung des weiteren Rhein-Main-Gebietes durch die dortige
Angebotsstruktur, die bessere Infrastruktur mit Flughafen, die Nähe zu den Zentren,
die Wohnungs- und Arbeitsplatzangebote
- In allen Stadtteilen ist das Angebot unzureichend, an der Peripherie fehlt zum Teil
die Grundversorgung
- Der Einzelhandel lebt zur Zeit von den Rentnern, einer Zielgruppe mit sinkenden
Einkommen in den nächsten Jahrzehnten
- Die nachfolgenden Generationen sind mit Einkaufszentren vertraut und brauchen
pfiffige Angebote für Alt und Jung mit breitem Sortiment
- Der Einkaufsstandort wird zu wenig beworben und verliert durch das
unzureichende und branchenkonzentrierte Angebot an Attraktivität
- Die Bürger haben ein erheblichen Informationsbedarf, der durch die
Stadtverwaltung nicht erfüllt wird
- Erschwerend zur derzeitigen Situation kommt der demografische Wandel mit
verringerter Kaufkraft der stark wachsenden Anzahl von Senioren hinzu
- Die Standortfaktoren zur Daseinsvorsorge werden vernachlässigt, die
wirtschaftlich wichtigen jungen Familien werden durch mangelnde Krippenplätze
und die hohen Grundstückspreise abgeschreckt. Die Gewerbetreibenden
befürchten deshalb zu Recht eine weitere Abwanderung von Kaufkraft
- Wirtschafts- und Technologieförderung findet nicht statt, wird jedenfalls nicht
nachvollziehbar und transparent wahrgenommen.
Detaillierte Ergebnisse der Umfrage zu den Standortfaktoren können sie im Bedarfsfall den zusammengefassten Umfrageergebnissen und/oder der Power Point Präsentation entnehmen.
Eltville liegt im Bestimmten Weinanbaugebiet Rheingau. Das Weinanbaugebiet ist bekannt für seine großen Rieslinge, aber auch für hervorragende Spätburgunder und Weißherbste auf fruchtbaren Böden und sonnenverwöhnten Südhängen. Die wirtschaftlichen Strukturen und Standortfaktoren des Weinbaus sind durch folgende Daten gekennzeichnet:
Rebfläche: 840 ha, Hektarertrag: 80 Hektoliter/ha, Gesamtertrag: 6.720.000 Liter, davon 60% Flaschenwein:
4.032.000 Liter a 5,50 EUR/l = EUR 22.176.000,-
40% Most- u. Faßwein: 2.688 l a 0, 90 EUR= EUR 2.419.200,-
Gesamtumsatz: EUR 24.595.200,-
Anzahl der Weinbaubetriebe: ca. 15% v. Rheingau= 97
Anzahl der Mitarbeiter und Betriebsleiter: ca. 124
Umsatz/Mitarbeiter: EUR 198.348,-
2. Einflussfaktoren in der Perspektive
Die Wirtschaft steht bis 2030 im Zeichen der demografischen Entwicklung, des Klimawandels, der Ökologie, des zunehmenden (globalen) Wettbewerbs und der Energiewende.
Zu den Rahmenbedingungen der Wirtschaft und als Standortfaktor zählt die Bevölkerungsentwicklung in Eltville und im Ergänzungsgebiet Kiedrich und Walluf. Der Masterplan Demografischer Wandel der Hessen Agentur weist nach den Ermittlungen der Bertelsmann-Stiftung folgende Daten aus:
(Interpolierte Zahlen bei 20% Anteil)
Bild Solardach Fa. Jean Müller, Eltville
Bild: Fußgängerzone Eltville, Quelle: Wiesbadener Kurier, Archiv/Margielsky
Die Eltviller Bevölkerung wird sich in diesem Zeitraum voraussichtlch von ca. 17.500 (2010) um ca. 1.200 auf ca. 16.300 EW verringern. Der Anteil der über 65-Jährigen steigt auf ca. 10.000 EW oder 62%. Wichtiger als der Anteil der Altersgruppen ist die absolute Anzahl der Jahrgänge. Dies führt zu einem steigenden Mangel an qualifizierten und erfahrenen Mitarbeitern bei längerer Lebensarbeitszeit. Lebenslanges Lernen und die berufliche Qualifikation auch der über 50-Jährigen sind zwingend erforderlich. Für diese Altersgruppe gelten die Anforderungen des aktiv Älterwerden: Die Menschen werden für ein längeres Erwerbsleben fit gemacht.
Diese Entwicklung ist schon heute spürbar, zumal sich die Altersstruktur in den Unternehmen auf die mittleren Altersgruppen konzentriert. Derzeitig sind in Deutschland nur 37% der 55- bis 64-Jährigen berufstätig. Deren Potenziale werden künftig gebraucht.
Die Anforderung, die der demografische Wandel an moderne, zukunftsorientierte Unternehmen richtet, liegt u.a. darin, eine immer älter werdende Belegschaft und dem Rückgang an qualifizierten Nachwuchskräften zu begegnen.
Bis zu den ersten Demografiebeauftragten ist es in den Unternehmen nicht mehr weit. Hinsichtlich der Einstellung des Angebotes auf die
ältere Generation verweisen wir auf die Firma beromobil GmbH in E-Erbach, die Elektromobile für Senioren in Hessen und Rheinland Pfalz anbietet.
Mit dem starken Anstieg des Bevölkerungsanteiles der über 65-Jährigen ist eine Verringerung der Kaufkraft in Eltville verbunden. Die künftige
Rentnergeneration mit vielfach gebrochenen Erwerbsbiografien wird nach den Rentenreformen der letzten 10 Jahre nur noch über 40 bis 44% des letzten Erwerbseinkommens verfügen können. Auch aus
diesem Grund ist die Steigerung der Einzelhandelszentralität in Eltville angezeigt.
Vielfach unterschätzt werden die Herausforderungen für die Wirtschaft durch den demografischen Wandel: Mit der Gesellschaft ändern sich auch die Kunden, verändern sich deren Erwartungen, Anforderungen und Bedürfnisse. Mit den Kunden, die weniger, älter und bunter werden, wird sich auch die Wirtschaft selbst in wesentlichen Bereichen anpassen und verändern. Im gesellschaftlichen Wandel liegen deshalb auch wirtschaftliche Chancen.
Das Wohnen ist für Menschen generell, insbesondere aber für die ältere Generation ein zentrales Thema. Rund um diesen Lebensmittelpunkt bieten sich neue Chancen für Handwerksbetriebe., etwa bei Anpasungsmaßnahmen im Wohnungsbestand oder bei der Neuerrichtung barrierefreien Wohnraums. Hinzu kommen haushaltsnahe Dienstleistungen, die über Pflegedienstleistungen oder den täglichen Menuedienst hinausgehen. Auch in der Gastronomie oder im Bereich von Bildung, Kultur und Freizeit entwickeln sich neue, zielgruppenspezifische Angebote.
Auf der einen Seite stehen die wirtschaftlich vitalen, urbanen Zentren -wie Frankfurt a. M.- als Sammelbecken ganz unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen, auf der anderen Seite die peripheren , ländlichen Gebiete -wie Eltville und sein Umfeld-, geprägt durch selektive Bevölkerungsverluste. Der Stadt-Land-Gegensatz wird künftig noch deutlicher.
Daraus resultierende Handlungsansätze sind:
- Angesichts der Abnahme und Alterung der Bevölkerung im ländlichen Raum
Rheingau gilt es, die Disparitäten zum Rhein-Main-Ballungsgebiet abzubauen
- Angebot und Nachfrage vor Ort in Übereinstimmung bringen
- Diversifizierung der Wirtschaft einschließlich Handel
- Eine kinderfreundliche Politik mit Betreuungsplätzen nach Bedarf, Vorschule für
alle Fünf- und Sechsjährigen sowie Beteiligung der Wirtschaft an den
Betreuungskosten ihrer MitarbeiterInnen
- Eine Bildungspolitik nach den gesellschaftlichen Anforderungen als
Standortfaktor ausrichten, kommunale Bildungslandschaften als Beitrag zur
nachhaltigen Regionalentwicklung, Mitverantwortung von Gesellschaft und
Wirtschaft. Real- als durchlässige Regelschule, mit Gymnasium (12 Jahre bis
Abitur) unter einem Dach.
- Entwicklung der Infrastruktur, des Wohnungsmarktes, des
Gesundheitswesens, der Ökologie und der dezentralen Gewinnung bzw.
Umwandlung erneuerbarer Energie bis zu einem Anteil von 100%,
Kosteneffizienz bei der Energieversorgung fördern, Verbesserung von Umwelt
und Landschaft, Verbesserung der Lebensqualität
- Bündelung der Kräfte für die Zukunft des Mittelstandes durch Setzung von
Rahmen- Bedingungen für Kooperationen, Bündelung von Aufgaben,
Dienstleistungen und Kompetenzen, branchenübergreifende Lösungen,
Komplettlösungen und Serviceleistungen, wie z.B. Lieferdienst
- Entscheidungen zu allen Standortfaktoren der Daseinsvorsorge in den
nächsten fünf Jahren für die nächsten Generationen treffen,
- Wirtschafts- und Technologieförderung mit Nutzung des Gründerpotenzials
vor allem in den Zukunftstechnologien.
In den Standort Eltville muss mehr investiert werden, um ihn zu erhalten und zu fördern.
Die Zukunft in unserem ländlichen Raum muss öffentlich mit den Bürgern diskutiert und mit deren Beteiligung geplant werden.
Der Mittelstand ist das Rückgrat der wirtschaftlichen Entwicklung in Eltville. Die Infrastruktur, die Wirtschafts- und Technologieförderung der Unternehmen setzt die Rahmenbedingungen zur Meisterung der künftigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Auch dies liegt in der Verantwortung der Stadtverwaltung.
Neben der demografischen Entwicklung ist die der Nachhaltigkeit die größte Herausforderung für Wirtschaft und Verwaltung. Nachhaltig wirtschaften heißt, den Klimawandel, die Ressourcenendlichkeit und die Menschenrechte zu berücksichtigen. Das Nachhaltigkeitsmanagement setzt diese Kriterien in den Unternehmen in Form einer Verankerung in der Strategie und im Kerngeschäft um. Unternehmen und Verwaltung arbeiten dabei mit Partnern aus der Wissenschaft und Praxis zusammen. Sie äußern sich in Berichten zu nachhaltigen, z.B. kohlenstofffreien bzw. kohlenstoff- und papierarmen, Produktinnovationen und Produktionsweisen sowie der Berücksichtigung von sozialen, ökologischen und finanziellen Kriterien. Wirtschaft und Verwaltung nutzen solar oder mittels Holz erzeugte bzw. umgewandelte Energie. Dies gilt auch für die Erzeugung von Wasserstoff und Methanol zwecks Bindung und Recycling von CO2 und beispielsweise der Produktion von recyclebaren Kunststoffen (s. Schülerfirmen: Rekosol, Recycling von CO2). Verbraucher und mittelständische Unternehmen profitieren von nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen. Die Politik setzt die Rahmenbedingungen und Anreize für eine nachhaltige Wirtschaft und Verwaltung.
Für die Entwicklung des Mittelstandes sind folgende Standortfaktoren wichtig:
- Infrastruktur, Verkehr:
Eine hochwertige Verkehrs-Infrastruktur ist unverzichtbar für den Erfolg der Region. Dabei hat die Breitbandversorgung den Rang von Straße und Schiene. Unterschiede in der Verfügbarkeit und Qualität von hochwertigen, schnellen Verkehrsanbindungen, wie z.B. der Verkehrsanschluss von Rüdesheim, sind zu beseitigen. Die Erreichbarkeit von IC/ICE- Bahnhöfen ist verbesserungsbedürftig.
- Verfügbarkeit von Fachkräften, Entlohnung:
Dies sind zunehmend wichtige Erfolgsfaktoren. Klein- und Mittelbetriebe habe einen
großen Anteil an der Arbeitskräftenachfrage. Sie stehen damit im Wettbewerb zum
übrigen Rhein-Main-Gebiet. Es gilt, die Ausbildung von Fachkräften im Mittelstand
zu verstärken, um den künftigen Bedarf zu decken. Die Entlohnung, sozial
nachhaltige Arbeitsplätze und die Arbeitsbedingungen müssen als Erfolgsfaktor
dem Wettbewerb standhalten. Gute Ausbildung, angemessene Entlohnung und
sichere Arbeitsverhältnisse schaffen Fachkräftenachwuchs und fördern die
demografische Entwicklung. In die Lohnfindung der Zukunft geht neben der
Produktivität des Arbeitsplatzes und anderen Einflussfaktoren auch der
qualitätsfördernde Wert der Arbeit durch Berücksichtigung der Wertschöpfung ein.
- Gewerbeflächen, Gründerzentrum:
Verfügbare Gewerbe- und Logistikflächen müssen zu allen Zeiten entwickelt und
vermarktet werden und zwar in der Nähe leistungsfähiger Verkehrsachsen. Die
mangelnden Voraussetzungen haben Ansiedlungen in der Vergangenheit
verhindert. Daraus sollten die richtigen Schlüsse gezogen werden.
Als günstig kann sich die Nutzung von Leerständen erweisen. Auf diese Weise
können, z.B. im Mittelzentrum Eltville, ein Technologie- und Gründerzentrum
sowie ein Einkaufszentrum zur Kaufkraftbindung und Schaffung von
Arbeitsplätzen entstehen.
Dabei gilt es, die Finanzierungshilfen des Landes Hessen in Anspruch zu nehmen
bei der Existenzgründung und der Mittelstandsförderung.
- Energieversorgung und –Preise, Abfallentsorgung:
Für energieintensive Produktionsbetriebe, die im nationalen und internationalen
Wettbewerb stehen, ist dies ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Die
dezentrale Energieerzeugung und das Netz in kommunaler Hand können eine
wichtige Rolle bei der E-Versorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen spielen.
Gleiches gilt für die Abfallentsorgung zu bezahlbaren Preisen. Auch die
Abfallentsorgung
ist einer der wichtigsten Standortfaktoren. Durch die demografische Entwicklung
ist mit deutlich höheren Kosten zu rechnen. Es ist im Bereich des Gewerbe- und
Hausmülls auf ausreichende Kapazitäten zu achten.
Steuern und Abgaben:
Als wichtige Rahmenbedingung bei der Ansiedlung von gewerblichen Unternehmen
schlagen sich Steuern und Abgaben sofort in den Kosten nieder und
beeinträchtigen den Gewinn. Die Multiplikation des vom Finanzamt festgelegten
Steuermessbetrages mit dem kommunalen Hebesatz ergibt die steuerliche
Belastung für das Unternehmen. Der Hebesatz der Kommunen im Rheingau zeigt
deutliche Unterschiede in der Ansiedelungspolitik. Die Vorbildfunktion der
Kommunen Walluf und Kiedrich sollte Schule machen.
- FuE-Einrichtungen:
Die Verfügbarkeit und Nutzung von Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen
von vorhandenen Hochschulen in der Nähe mit verschiedenen strategischen
Ausrichtungen ist für viele mittelständische Unternehmen mit begrenzten eigenen
Kapazitäten und Ressourcen unabdingbar als Basis für die Zukunftsfähigkeit. Das
beinhaltet auch die Zusammenarbeit mit branchenführenden Unternehmen.
- Bürokratie (-Kosten), wirtschaftliches Klima, Image der Region:
Die durch Gesetze und Verordnungen auferlegten Verwaltungs- und
Informationspflichten und solche, die aus dem Umgang mit der öffentlichen
Verwaltung resultieren (Gebühren), werden zusammen mit einer
unternehmensfreundlichen Verwaltung als Standortfaktor von über 50% der
Unternehmen als sehr hoch bewertet.
Das Wirtschaftsklima wird davon beeinflusst, welche Prioritäten der
wirtschaftlichen Entwicklung seitens der relevanten Akteure zugewiesen wird und
ob diese sich auf eine einheitliche wirtschaftliche Entwicklungsstrategie
verständigen können. Das wirtschaftliche Klima wird also vom Miteinander, zum
Beispiel im „Bündnis für den Mittelstand“, bestimmt. Die beteiligten Akteure aus
Politik, Verwaltung, Verbänden und Unternehmen kennen das
Verbesserungspotenzial.
Eine „entbürokratisierte“ Zone in einer Modellregion könnte bei Einklang der Politik
und Verwaltung mit der Wirtschaft eine wirtschaftsfreundliche Stimmung zeitigen.
Messbare wirtschaftliche Vorteile des positiven Images der Region sind nur sehr
begrenzt feststellbar. Das wäre z.B. mit einer gemeinsamen Entwicklungs- und
Vermarktungsstrategie des Touristik-, Gastgewerbe-, Winzer-, Urlaubs-, Kultur-
und Freizeitangebotes möglich.
Eine in großen Teilen ländlich geprägte Region wie unsere funktioniert nur mit
starkem Ober- und leistungsfähigen Mittelzentrum. Als zu entwickelndes
Dienstleistungszentrum könnte das Mittelzentrum Eltville mit der Bebauung des
Rheingauhallengeländes und der Nutzung des Grundstücks der ehem.
Wäschefabrik regionale Wirkung erzielen.
- Bildungsangebot:
Die Qualität der Schulen ist ein wichtiger Standortfaktor. Wer Besonderes zu bieten hat, hat Vorteile. Das kann durch die Hansenberg-, eine internationale Schule oder Vorschulen für die fünf- bis sechsjährigen Kinder der Fall sein. Die Lehrpläne sind ja landesweit gleich, eine internationale Schule gibt es aber im (noch) Rheingau nicht.
Die Wirtschaft sollte Schulpatenschaften übernehmen für durchlässige, ganztägige Modellschulen, bestehend aus der 10-klassigen Real- oder Oberschule als Regelschule und dem 12-klassigen Gymnasium unter einem Dach. In den Jahrgangsstufen 9 bis 12 werden geistes-, gesellschafts-, sprach-, ökonomich-ökologische- und naturwissenschaftlich-technische Kurse/Zweige entsprechend den Eignungen und Neigungen der Schüler/innen angeboten.Langes gemeinsames Lernen, kleine Lerngruppen, individuelle Förderung, polytechnischer Unterricht und qualifiziertes, fortgebildetes Lehrpersonal sollte dabei Standard sein. Mit diesem Modell werden die gesellschaftlichen Anforderungen an das Bildungssystem erfüllt. Beim Übergang von der Schule zur Berufsausbildung oder zum Studium werden die Eignungsvoraussetzungen entsprechend den qualifizierten Anforderungen gewährleistet und mit Eignungstests in allen Schulen festgestellt.
Die Patenschaften der Wirtschaft sollten sich auch auf die frühkindliche Bildung in der Vorschule sowie die Erziehung und Betreuung in den Kinderkrippen und den Kindergärten erstrecken.
- Erholungs- und Freizeitangebot:
Einen Großemittenten von Luftschadstoffen gibt es Im Rheingau zwar nicht, die
Beeinträchtigungen durch den Luft-, Schienen- und Straßenverkehr sind aber als
Minderungung der Lebensqualität wahrnehmbar. Angesichts des Lärms durch
den Luft- und Schienenverkehr sollte der Landkreis sich bei der Landes- und
Bundesregierung für Obergrenzen beim Lärm- als Gesundheitsschutz einsetzen.
Darüber hinaus ist die Flugroutenoptimierung ein vorrangiges Ziel zur
Lärmreduzierung im Rheingau. Auch beim Lärm durch den Schienenverkehr sind
die möglichen Lärmschutzmaßnahmen zu realisieren.
Die Waldfläche und die Gewässergüte belegen eine gute
Umweltqualität. Die Umweltqualität der Region zeigt, dass eine leistungsfähige
Wirtschaft und die Natur im ländlichen Raum kein Widerspruch sind.
Die genannten Standortfaktoren , wie z,B. Energiekosten, Ver- und Entsorgungskosten,
Steuern und Abgaben sowie Bürokratiekosten müssen national und international
wettbewerbsfähig sein. Forschungseinrichtungen bieten Chancen, Wettbewerbsvorteile
zu generieren. Politik und Wirtschaft haben im Einklang den gewünschten Erfolg.
Der Rheingau hat eine attraktive, zu wenig genutzte und kommunizierte Mischung von
Wirtschaft einschl. Gewerbe, Kultur, Natur und Freizeit. Ein Ansatz wäre die gemeinsame
Entwicklungs- und Vermarktungsstrategie der Standortortvorteile. Das beinhaltet auch die
Entwicklung von Konzepten zum Erhalt und Ausbau von Kommunen.